Digitale Nachhaltigkeit neu denken: Bewusster Datenumgang senkt CO₂-Fußabdruck und ebnet Weg zur regenerativen Zukunft
Die Digitalisierung ist ein entscheidender Motor für Innovation und Fortschritt – gleichzeitig verursacht sie jedoch erhebliche Umweltauswirkungen. Digitale Technologien sind heute für schätzungsweise 2 bis 4 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich, mit einer jährlichen Zunahme von 2 bis 7 Prozent. Vor allem die energieintensive Datenverarbeitung und Datenspeicherung in Rechenzentren, Netzwerken und auf Endgeräten treibt diesen Emissionsanstieg voran. Angesichts der Klimakrise wird klar: Ein bewusster und nachhaltiger Umgang mit digitalen Daten ist essenziell, um den ökologischen Fußabdruck der Digitalisierung signifikant zu reduzieren.
Daten als wertvoller Rohstoff – und zentraler Energieverbraucher
Daten werden oft als das „Öl des 21. Jahrhunderts“ beschrieben – anders als fossile Brennstoffe sind sie jedoch unendlich verfügbar. Das eigentliche Problem liegt im Umgang mit ihnen. Jede Datenerhebung, Speicherung und Übertragung verbraucht wertvolle Energie. Überflüssige Datenspeicherung und ineffiziente Datenflüsse in Unternehmen und technischer Infrastruktur erhöhen den unnötigen CO₂-Ausstoß erheblich. Nachhaltiges Datenmanagement legt deshalb den Fokus auf die Reduktion der Datenmenge durch gezielte Erhebung, Nutzung und Wiederverwendung von Daten. Diese sogenannte Datensparsamkeit ähnelt einem bewussten Ressourcenverbrauch und hilft, den Energiehunger von Rechenzentren deutlich zu senken.
Energieeffiziente IT-Infrastrukturen als Schlüssel zur digitalen Nachhaltigkeit
Neben der Datenmenge ist die Energieeffizienz der eingesetzten Hardware und IT-Infrastruktur ein entscheidender Faktor. Moderne Rechenzentren setzen verstärkt auf energiesparende Technologien und beziehen zunehmend Strom aus erneuerbaren Quellen. Auch Cloud-Dienste entwickeln sich in Richtung ökologische Nachhaltigkeit, indem sie Ressourcen besser auslasten und Hardware effizienter einsetzen. Die dringende Umstellung auf energieeffiziente IT-Lösungen ist notwendig, um dem stetig wachsenden Bedarf an digitalem Speicherplatz und Rechenkapazität klimaschonend gerecht zu werden.
Transparenz, Datenstrategie und ethische Verantwortung
Ein weiteres wichtiges Element nachhaltiger Digitalisierung ist eine bewusste und strategisch ausgerichtete Datenpolitik. Sie fördert Datenqualität, Wiederverwendung und Offenheit und schafft damit Raum für innovative, ökologische Mehrwerte. Digitale Produktpässe und digitale Zwillinge** – also präzise virtuelle Abbilder physischer Produkte oder Gebäude – verbessern Rückverfolgbarkeit und ermöglichen eine ressourcenschonende Steuerung über den gesamten Produktlebenszyklus.
Zudem spielt die ethische Dimension eine zentrale Rolle: Datenschutz, Datensparsamkeit und verantwortungsvolle Datenpraktiken schaffen nicht nur Vertrauen, sondern vermeiden auch die oft kritisierte „Datensammelwut“, die nicht nur Datenschutzrisiken birgt, sondern auch den digitalen Energieverbrauch unnötig in die Höhe treibt.
Regeneratives Design: Digitalisierung zukunftsweisend gestalten
Das Konzept des „regenerativen Designs“ geht über klassische Nachhaltigkeit hinaus. Es zielt nicht nur darauf ab, Umweltschäden zu minimieren, sondern auch ökologische und soziale Systeme aktiv zu erneuern. Im Fokus steht die Kreislaufwirtschaft, die natürliche Ressourcen und gesellschaftliche Strukturen nachhaltig stärkt.
Hier bietet die Digitalisierung großes Potenzial: Smarte Quartiere, digitale Zwillinge oder produktbasierte digitale Pässe ermöglichen eine ressourceneffiziente Planung, Steuerung und Produktion. Gleichzeitig steht dies im Spannungsfeld mit dem traditionellen Digitalisierungsideal, das oft auf Effizienzsteigerung und Wachstum setzt – was tendenziell zu höherem Ressourcenverbrauch führt.
Fortschritt neu definieren: Qualität statt Quantität
Für eine nachhaltige digitale Zukunft ist ein Umdenken nötig: Fortschritt sollte nicht mehr nur quantitativ und wachstumsorientiert definiert werden, sondern systemisch, qualitativ und langfristig. Wichtige Ziele sind die Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch, aktive Wiederherstellung von Ökosystemen sowie eine harmonische Balance zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen.
Technologie muss als Werkzeug für nachhaltige Entwicklung dienen – nicht als Selbstzweck. Prinzipien wie Suffizienz (Genügsamkeit), Konsistenz und bewusster Konsum gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dies stellt eine Herausforderung für Unternehmen, Politik und Gesellschaft dar und erfordert eine digitale Transformation mit regenerativem Anspruch.
Verantwortung als Schlüssel für klimafreundliche Digitalisierung
Der Weg zu einer klimafreundlichen Digitalisierung führt über einen bewussten Datenumgang, energieeffiziente IT-Infrastrukturen, strategisches Datenmanagement und ethisches Handeln. Eine nachhaltige Digitalstrategie kann den Energiebedarf von Datenzentren und digitalen Systemen aktiv steuern, Ressourcen schonen und die Umweltbilanz verbessern. Die Digitalisierung hat großes Potenzial, zum Treiber regenerativer Zukunftsmodelle zu werden – vorausgesetzt, sie wird nicht länger rein nach Effizienz- und Wachstumslogiken gestaltet, sondern folgt werteorientierten, nachhaltigen Prinzipien. Nur so lassen sich die CO₂-Emissionen digitaler Systeme dauerhaft reduzieren und die Digitalisierung ökologisch zukunftsfähig gestalten.
** Der digitale Produktpass (DPP) ist ein digitaler Datensatz, der alle wichtigen Informationen über ein Produkt entlang seines gesamten Lebenszyklus sammelt und bereitstellt. Er enthält unter anderem Angaben zu Materialien, Herstellung, Umweltauswirkungen, Reparierbarkeit, Ersatzteilen und Recyclingmöglichkeiten. Über sichtbare Codes am Produkt (z. B. QR-Code, NFC-Chip) kann jeder – vom Hersteller bis zum Verbraucher – auf diese Daten zugreifen. Der DPP ist wichtig für nachhaltige Produktion und Kreislaufwirtschaft und wird in der EU ab 2027 für viele Produkte verpflichtend sein.
Der virtuelle Zwilling (oder digitaler Zwilling) ist ein digitales Abbild eines physischen Produkts in Echtzeit. Er repräsentiert den aktuellen Zustand und das Verhalten des Produkts, ermöglicht Simulationen (z. B. zum Verschleiß) und hilft bei der Optimierung von Wartung und Nutzung. Anders als der Produktpass ist der Zwilling dynamisch und wird ständig mit aktuellen Sensordaten versorgt. Er besteht aus dem realen Produkt, seinem virtuellen Abbild und der Datenverarbeitung, die beide verbindet.
* Der digitale Produktpass ist der digitale „Lebenslauf“ eines Produkts mit allen relevanten statischen und ausgewählten dynamischen Informationen, welcher Transparenz und bessere Kreislaufwirtschaft fördert.
* Der virtuelle Zwilling ist ein immer aktuell gehaltener digitaler Zwilling eines Produkts, der dessen Zustand und Betrieb abbildet, analysiert und vorhersagt.
Beide Konzepte ergänzen sich: Die Echtzeitdaten und Erkenntnisse des virtuellen Zwillings können genutzt werden, um den digitalen Produktpass aktuell und aussagekräftig zu halten. Dies verbessert die Nachverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit und Wartung von Produkten über deren gesamten Lebenszyklus.
Autor:in: Theophile Maria Koehne

